Kann Huawei unsere Innere Sicherheit bedrohen?
Im Moment sind es mehr sicherheitspolitische Reflexe, sich gegen den chinesischen Technologie-Konzern Huawei zu stellen und ihm den Weg zur Teilnahme beim Aufbau des 5G-Netzes zu verwehren.
Natürlich muss von einem Unternehmen, welches sich am Aufbau international genutzter Kommunikationsnetze beteiligt, eine jeweils nationale Loyalität verlangt werden können. Das ist selbstverständlich. Jedoch kommt es mir bei dieser Diskussion so vor, als wolle man hier künstliche Feindbilder schaffen und unser nationales Kommunikationsverhalten durch eine indirekte Selbstzensur von außen steuern. Ich denke dabei in erster Linie an die Nachrichtendienste der USA, die hierzulande vor Ort vertreten sind; und zwar aktiv, auch in der Zusammenarbeit mit dem BND und der Bundeswehr. Und auch diese Dienste nehmen Einfluss auf unsere infrastrukturelle Entwicklung unserer Kommunikationsnetze, um im Zusammenwirken internationaler Kommunikationsdienste Erkenntnisse gewinnen zu können.
Es ist einem Normalbürger nicht einfach zu erklären, wozu wir in unseren für den Alltagsgebrauch errichteten Kommunikationsnetzen eine Überwachung durch nachrichtendienstliche Operationen benötigen. Quellen-TkÜG (Quellen-Telekommunikations-Überwachung, ein Instrument, welches vom Bundeskriminalamt zur Online-Durchsuchung von Ermittlungszielen verwendet wird) ist auch so ein operativer, nachrichtendienstlicher Eingriff in unsere zivile Kommunikations-Infrastruktur, der technisch kaum Wünsche offen lässt. Es können sowohl abgeschaltete Handys und alle Festnetzeinrichtungen, einschließlich angeschlossener PCs und ans WLAN angeschlossener Geräte sowohl optisch über die eingebauten Kameras, als auch akustisch über die Mikrofone ausgewertet werden. Solche operativen Einsätze sind jedoch durch unsere Strafprozessordnung StPO gedeckt, als auch durch das BKA-Gesetz.
Weniger verständlich wird es für unsere BürgerInnen, wenn ausländischen Diensten der Zugang zu unserer Telekommunikations-Struktur gewährt wird und z.B. sowohl die DGSE (Deutsche Generaldirektion für äußere Sicherheit) als Zweig der SDECE Service de Documentation Extérieure et de Contre-Espionnage und die Dienste von NSA, CIA und andere verbündete Nachrichtendienste einschließlich des Mossad, bei uns verdeckt mithören dürfen.
Für die Öffentlichkeit läuft ein solches Handeln immer unter dem Begriff Terror-Abwehr, als wäre dies ein leicht verdaulicher Begriff, der jedem einleuchtend wäre. Statt dessen ist das Zusammenspiel nationaler und internationaler nachrichtendienstlicher Organisationen in unserem Telekommunikationsnetz einerseits ein zweischneidiges Schwert, andererseits aber auch ein Werkzeug für die bilaterale Aufklärung, die einer Doktrin des damals amtierenden Luftwaffen-Inspekteurs Johannes Steinhof (1913-1994) (unter anderem auch Vorsitzender des NATO-Militärausschausses) entspringt. Die besagte nämlich, dass eine Konfliktlösung zwischen Konfliktpartnern auch dadurch herbeigeführt werden kann, wenn man nicht nur Aufklärung im Sinne von Reconnaissance, sondern auch Aufklärung im Sinne von gegenseitiger Information betreibt.
Heute dient diese zweigleisige Nutzung von zivilen Telekommunikationsnetzen durch die BürgerInnen einer Nation einerseits und zeitgleich nachrichtendienstlicher Organisations-Strukturen andererseits, auch dieser bilateralen Aufklärung. Jedoch erfordert dies ausgedehnte Vorschriften und deren (parlamentarische) Kontrolle (Aufgabe des Geheimdienst-Ausschusses des Deutschen Bundestags) sowohl im nationalen Recht, als auch im internationalen Recht.
Jedoch haben wir es heute politisch auch mit einer Bedrängnis durch einseitige politische Interessen zu tun. So einerseits durch die USA nach dem 11. September 2001, als auch durch den MI-6 (Secret-Information-Service, SIS) und das GCHQ (Goverment Communication Headquarter) zu tun. Einseitige nationale Interessen werden hier oft auf diplomatischem Wege zwischen den Einrichtungen der jeweiligen Außenministerien vertraglich geregelt und entziehen sich dadurch aber teilweise der parlamentarischen Kontrolle durch den Geheimdienst-Ausschuss des Deutschen Bundestages.
Natürlich führt eine solche bilaterale Nutzung von zivilen nationalen Kommunikationsnetzen auch zu einer Art Selbstzensur, die von deutschen und in Deutschland ansässigen Journalisten nicht minder beklagt wird. Gerade was den investigativen Journalismus betrifft, der schon seit der SPIEGEL-Affäre 1962 mitgeholfen hatte, demokratische und verfassungsmäßige Grundsätze unserer damals noch jungen Bundesrepublik zu schützen, kommen wir heute nicht umhin, dass diese Schutzfunktion durch journalistische Arbeit nicht mehr zu einhundert Prozent gewährleistet werden kann.
Es ist also nicht nur der chinesische Kommunikationsgigant Huawei, der unsere Demokratie bedrohen könnte, es sind auch die täglichen operativen Eingriffe in unsere Kommunikations-Infrastruktur jenseits einer parlamentarischen Kontrolle durch den Bundestag.
Einige Experten sprechen hier sogar von Güter-Abwägung, so als handele es sich bei unserer Freiheitlich Demokratischen Grundordnung um eine Ware, um die zu feilschen es sich lohnen könnte. Dem muss ein öffentliches Bewusstsein über die Existenz von nachrichtendienstlicher Nutzung unserer zivilen Kommunikationsnetze entgegen gestellt werden, wohlweislich aber auch mit dem Hinweis, dass es sich hierbei nicht um willkürliche Ereignisse handeln darf, sondern auf einer nationalen Rechtsgrundlage beschlossenen Basis, wie die Strafprozessordnung oder das BKA-Gesetz.
So gesehen werden wir auch nicht um eine bilaterale Aufklärung im Sinne von Johannes Steinhof’s Doktrin herumkommen und unsere Bevölkerung auch besser über die Existenz solcher Dienste und einer Beschreibung ihres Sinn und Zwecks herumkommen. Denn, nur aufgeklärte BürgerInnen können sich aktiv an der Verteidigung und dem Schutz unseres nationalen Friedens beteiligen.